Montag, 5. März 2012

04.03.2012 - Ein Kommentar meinerseits

*Achtung: Um mich auf keinen Fall misszuverstehen, bitte den Post genau durchlesen, bevor mir zweifelhafte und uneindeutige Vorwürfe an den Kopf geworfen werden. Ja, ich gucke ab und zu das russische Staatsfernsehen, lese Beiträge russischer Blogger und habe den Wahlvorgang seit dem Dezember etwas beobachtet, leider nicht allzu tiefgründig (dafür fehlen mir einfach Jahre der Erfahrung, sowie das allgemeine verstärkte Interesse an der Politik). Verzeiht mir also die wahrscheinlich mehr als offensichtliche Trivialität beim Behandeln dieses Themas.

Gestern geschah mal wieder ein historisches Ereignis für das noch vergleichsweise junge Russland: Es gab mal wieder Präsidentschaftswahlen, die genauso vorhersehbar waren wie die Reaktionen des Westens. Sofort kamen Vorwürfe von Manipulationen, von Wahlbetrug, von "kollektiver Verarsche", vom "Beschiss der Nation". Wie von der Opposition, so auch von westlichen Beobachtern/Kommentatoren. Aber ist alles wirklich so einseitig wie man es momentan um die Ohren gehauen bekommt, insbesondere von der höheren Instanz, die ich hier nicht weiter erwähnen will ?

Einem werde ich sicherlich zustimmen: Putins Methoden waren in der Vergangenheit und sind noch immer sehr unsauber und der Fakt, dass sich so ein Mann für weitere 6 Jahre an die Macht bindet wie er, ist für mich unangenehm. Doch hier kommt das Besondere: Ich kann schwer sagen, dass ich seinen Kurs verurteile oder generell seine Position. Man mag mich dafür in jede mögliche Schublade stecken, aber ich denke wirklich, dass Wladimir Putin zurzeit der richtige Präsident für Russland ist. Lasst es mich bitte erklären, bevor ihr alle vorschnell urteilt.

Für alle, die nichts Wesentliches mit dem größten Land der Erde anfangen können: Russland hatte eine sehr bunte Geschichte in allerlei Faktoren und ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf einem Scheideweg, der nicht voraussehen zu sein scheint. Der Einfluss der UdSSR auf Russland selbst wiegt noch sehr schwer, ebenso das Chaos der 90er und der Versuch der Neuorientierung der 00er, kurz gesagt - das Land hat immernoch keine bestimmte Identität, da es von so vielen Völkern, Ideologien und Problemen geprägt ist wie kaum ein anderes Land.

Es ist auch wichtig zu verstehen, wie ein Russe so tickt. Es mag vielleicht lächerlich und stereotyp klingen, aber die Mentalität eines Deutschen und eines Russen ist schwer vergleichbar (eben wegen den total unterschiedlichen Einflüssen aus der Geschichte). "Aber Geschwisterrassen (was Deutsche und Russen sind !) zu vergleichen, das hat doch mit dem Thema nichts zu tun" würdet ihr sagen. Und genau jetzt kommt der springende Punkt, den ich nur allzu häufig bei den Feedbacks vermisst habe.

Mehreres spricht für einen Präsidenten wie Putin: Historisch und mentalitätsbezogen braucht Russland einen "starken Mann" (jetzt bitte nicht sofort DEN Vergleich bringen, lasst mich noch weitererklären !) an der Spitze, der es international auf einer Augenhöhe mit Europa, USA und China präsentieren könnte. Nicht eine auswechselbare Figur (wie Medwedew, dessen Ansichten sich nur geringfügig unterschieden und eher national fixiert waren), sondern eine eigenständige Persönlichkeit, die keine Angst davor hat, die eigene Meinung zu äußern, anstatt der USA alles nachzuplappern. Putin ist eben dieses Symbol eines eigenständigen Russlands, das keinerlei Einmischung in die Innenpolitik mag und das dem Westen aufgrund jüngster Vorschläge (NATO-Raketenabwehrschild in Osteuropa) misstraut. Er ist wie ein Stiefvater für dieses achso schwer zu erziehendes Kind, dem er zu seinen ersten beiden Amtszeiten viel Selbstbewusstsein zurückgegeben hat und dem er wahrscheinlich langsam die alte Stärke zurückgeben wird.

Egal wie viele Leute wegen "unfairen Wahlen" trauern werden, Europa ihrerseits braucht ein stabiles Russland, das es ständig mit Öl und anderen Gütern versorgen kann und Putin steht (auch wenn ich es zähneknirschend zugeben muss) für Stabilität und Kontinuität. Es gibt mit ihm keine plötzlichen Neuausrichtungen und allzu viel Gegenwind (die Zahl der Demonstranten gegenüber der Gesamtbevölkerung beträgt keine 5%) und das aus guten Gründen: Die Menschen in Russland wissen, was sie an Putin haben. Höchstwahrscheinlich ist er für sie kühl, berechenbar, unbarmherzig und zielstrebig - all die Eigenschaften, die einem Mann in seiner Position nicht schaden. Zudem er ja nun eine wahre Ikone geworden ist - von einem simplen KGB-Agent zu einer Ikone, welch ein Wandel.

Jetzt werden viele sagen, dass ich Putin unterstütze und dass ich vermutlich anti-demokratisch bin. Zum Ersteren: Ich habe versucht zu begründen, wieso ich widerwillig zugeben muss, dass er zurzeit der Richtige ist. Er selbst hat es eigentlich auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass "es keinen gibt, mit dem [er] auf einer Augenhöhe reden kann" und es stimmt. Die anderen Kandidaten sind allesamt noch weniger geeignet: Ein Kommunist, ein Milliardär, ein Linksextremer und ein Nationalist. Und keiner von denen wäre in meinen Augen in der Lage, Russland halbwegs würdig zu führen oder zu repräsentieren wie es eben der nun wiedergewählte Präsident tut.

Mein Fazit also: Selbst wenn ca. 10% hinzugefälscht wurden, ist Putin der "saubere" Sieger der Präsidentschaftswahlen, da sich hierzulande nur sehr wenige vorstellen können, was für einen Einfluss er in seinem Land ausführt. Ebenso sehr wie die simple Tatsache, dass er mehr Befürworter als Gegner hat, weil er einen verlässlichen Kurs führt, um die Instabilität nicht zu gefährden, was im Falle einer möglichen Revolution passieren würde. Es ging ihm nie darum, dem Westen zu gefallen, sondern auf der Augenhöhe mit ihm zu kooperieren.

Wenn die Demonstrationen eins gezeigt haben, dann ist es die Evolution des Wandels in Russland. Es zeigt, dass die Leute langsam, aber sicher ihre Wünsche umgesetzt sehen wollen, auch wenn es (noch) eine totale Minderheit ist. Von daher: Putin ist gerechterweise Präsident geworden, nicht weil er es verdient hat, sondern weil es schlichtweg keinen anderen geeigneten Kandidaten dafür gibt. Und er wird es diesmal schwerer haben, als damals.

P.S. : Und wer von Anti-Demokratie in Russland spricht, sollte sich zuerst im eigenen Land umsehen, bevor er allzu harsch über andere urteilt. Sicherlich ist es hier in Deutschland nicht so krass wie es teilweise dort ist, aber hier ist auch nicht alles so rosig, wie es einem die Werbung im Fernsehen weis machen will. FYI: Demokratie strikt nach der Definition hat es eigentlich nie gegeben.

4 Kommentare:

  1. Putin WAR der richtige Mann für Russland als er das erste Mal gewählt wurde. Ich denke jetzt ist er überlebt, auch zu sehen, an den breiten Protesten gegen ihn, vor allem durch junge Bürger Russlands. Ich bin gespannt ob Putin auf ihre Bedürfnisse eingehen kann und wird!

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  2. Putin ist ein starker Mann und Russland braucht starke Männer um mit den großen Nationen der Welt zu konkurrieren.

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  3. Ich finde es sehr, sehr schwierig, sich für einen Mann auszusprechen, der seine Macht im eigenen Lande gefestigt hat, indem er Journalisten durch Morde eingeschüchert (kommt mir bitte nicht mit dem Argument, dass es nicht nachgewiesen wurde), indem er Schauprozesse veranstalten lässt, kurzum indem er Ungerechtigkeit zum System macht. Diese Form der Herrschaft ist eigentlich zu verurteilen. Sie ist undemokratisch und entspricht nicht den Prinzipien eines Rechtsstaates.

    Dass sich eine solche Menge als Opposition hervorgetan hat, ist bewundernswert, wenn man bedenkt, in welchem Maße Oppositionelle unterdrückt werden. Und,es kann ja wohl nicht angehen, dass du die 5% der russischen Bevölkerung als unwichtige Minderheit abtust, aber den Wert der Anti-ACTA-Demos als wichtig und erfolgreich beschreibst. Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht. Denn gegen ACTA haben vermutlich, wenn überhaupt, 1% der Deutschen protestiert.

    Aber das sei alles einmal dahingestellt. Wie sieht die Zukunft Russlands ohne politische Veränderung aus? Putin wird die Verfassung weiter aus ihren Angeln heben; die Demokratie wird weiter zur de facto existierenden Oligarchie reduziert; die Revolutionsbereitschaft steigt. Spätestens, wenn Putin zu schwach ist, das Land zu führen, wird dann die Revolution erfolgen und die Folgen werden Russland vermutlich genauso wenig helfen wie vorherige Revolutionen.

    In Russland müsste, meines Erachtens, ein Prozess eintreten, der die langsame Demokratisierung fördert. Es müsste noch einmal ein Gorbatschow an die Macht kommen, der bereit ist, Macht abzugeben, um eine Revolution zu vermeiden. Putin spitzt die Situation in meinen Augen eher noch zu.

    Aber das sind die Augen eines nicht-russischen, dummen Jungen. Was weiß denn ich groß über russiche Politik?

    Was ich jedoch mit aller Entschiedenheit bemitleiden kann ist die ahcso kritische Haltung im gesamten Westen. Man kritisiert im einen Satz die undemokratischen Wahlen, beschwört aber gleichzeitig auf enge Zusammenarbeit und Belieferung mit Öl und Gas. Da sind die westlichen Länder genauso heuchlerisch, opportunistisch und unehrlich wie sie es gegenüber Mubarak oder Gaddafi waren. Und wenn eine Revolution anstehen sollte, wird man betonen können, dass man ja immer für mehr Demokratie war. Verlogenes, westliches Politiker-Pack.

    So, jetzt noch was abschließendes zu deinem politischen Statement: Ich finde eine gut belegte Meinung immer noch wesentlich besser als eine auf Vermutungen und gelegentlichen Beobachtungen resultierende Meinung wie die Meinige. Du kannst erklären, was genau du an Putin schätzt und stellst zurecht heraus, dass er kein Stalin oder Hitler ist. Insofern ist deine Aussage gar nicht mal so falsch, dass er womöglich das Richtige für Russland sein könnte. Deshalb würde ich mich deiner Meinung im Moment, trotz all meiner Vorbehalte gegen Putin, lieber anschließen als auf meiner Meinung zu beharren. Denn, wie schon bemerkt, ich bin weder Russe noch habe ich wirklich eine genaue Ahnung, was die russiche Politik braucht. Ergo: Ich kann hier keine besonders treffende Aussage treffen!

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  4. Erstmal bin ich froh, dass es mehrere Kommentare gibt, danke dafür.

    Zum 3. Kommentar: Ich finde, dass man Anti-ACTA- und Anti-Putin-Demos nicht vergleichen kann, weil die eine gegen einen Gesetzesentwurf ist, der ohne Vorwarnung im Rücken der Leute angekündigt ist. Die Andere ist gegen einen Mann, dessen Methoden der Politik nicht selten unmenschlich erscheinen.

    Zudem: Ich habe nie die Proteste gegen Putin als unwichtig eingestuft, genauso wie die Demonstranten an sich. Ich finde sie gut, weil sie Veränderung zegen, aber Veränderung alleine reicht nicht, um einen Riesenstaat zu regieren. Zahlenmäßig sind diese Demonstranten in einer unglaublichen Minderheit: Nur die Demonstranten in Moskau betragen ungefähr 0,0002% der Gesamtbevölkerung; alle zusammengerechnet würden sie nicht mal auf einen halben Prozent kommen (zumindest aus meiner ungefähren Einschätzung). Nicht, dass ich denke, dass Massen gegen ACTA demonstriert haben und doch: Solch eine unglaublich kleine Zahl wie die in Russland derartig hochzureden ist dann doch etwas...unnötig und heuchlerisch, zumindest aus meiner Sicht und bezogen auf einige besondere Kommentatoren.

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